Acrylglas - doch kein Glas

    Im Dezember 2022 ist in Berlin ein Großaquarium aus Acrylglas geplatzt.  Dieses Ereignis hat das Material plötzlich berühmt gemacht. In vielen Berichten wird aber von Glas geschrieben. Das ist jedoch falsch. Acrylglas ist materialtechnisch gesehen kein Glas, sondern ein Kunststoff. Dieser ist durchsichtig, deshalb wird er oft als Glasersatz verwendet. Dazu ist Acrylglas deutlich leichter und lässt sich einfach bearbeiten. Der richtige Name des Kunststoffes lautet Polymethylmethacrylat (kurz PMMA).

    Gläser sind anorganische Materialien (dazu unser Link Glas), die als Mischungen von Oxiden (Silikaten) seit Jahrtausenden bekannt sind und für viererlei Dinge verwendet werden. Acrylglas ist dagegen ein organisches Material, dass erst seit etwa 100 Jahren zur Verfügung steht. Die Glasindustrie hat sich lange und letztendlich vergeblich gegen den Gebrauch des Wortes Glas für organische Polymere gewehrt.
    Acrylglas, auch Plexiglas genannt, gehört zur Gruppe der Thermoplaste und ist dementsprechend bei geeigneten Temperaturen plastisch verformbar. PMMA lässt sich auch gut spanabhebend bearbeiten, gravieren oder schneiden, denn es ist kratzunempfindlicher als vergleichbare Thermoplaste. Über den Kunststoff können Sie unter Polymethylmethacrylat mehr lesen. Kleben und schweißen von Acrylglas ist ebenfalls möglich. Es gibt dazu auch spezielle Acrylglaskleber. Normaler Kleber sollte man eher nicht anwenden. Durch seine gute Witterungsbeständigkeit und die hohe Lichtdurchlässigkeit sind Acrylglasplatten prädestiniert für Freiland-Anwendungen, wie Wintergärten, Sicht- und Windschutz, Überdachungen, Balkonverkleidungen. Abb. 1a zeigt eines der vielen Anwendungsbeispiele: Wände einer Kabine des Riesenrades auf dem Weihnachtsmarkt 2022 in Karlsruhe.

                                   Abb. 1 Acrylglas a) Kabine eines Riesenrades, b) beschädigtes Teesieb (Fotos von Bozena Arnold)

    Neben vielen hervorragenden Eigenschaften hat PMMA leider eine Schwäche: Neigung zur Spannungsrisskorrosion, insbesondere bei Wirkung bestimmter Lösungen. Acrylglas ist beständig gegen Säuren, Laugen mittlerer Konzentration, Benzin und Öl. So lässt es sich mit diesen Mitteln auch gut reinigen. Ethanol, Aceton und Benzol greifen dagegen Acrylglas an. In den meisten Glasreinigern sind aber solche Inhaltsstoffe enthalten. Die durch den Kontakt initiierten physikalischen und/oder chemischen Prozesse führen in der Regel zur Verschlechterung der Gebrauchseigenschaften und sind häufig mit einer Rissbildung verbunden. Das Versagen von Polymerwerkstoffen bei gleichzeitiger Einwirkung von gasförmigen oder flüssigen Medien wird in Anlehnung an die Bezeichnung bei metallischen Werkstoffen als Spannungsrisskorrosion (engl.: Stress Corrosion Cracking) bezeichnet. Zur Bewertung der Spannungsrissbeständigkeit werden einerseits standardisierte Prüfverfahren wie der Zeitstandzugversuch angewendet, andererseits erfordert die Ermittlung des Werkstoffwiderstandes gegenüber der stabilen Rissausbreitung den Einsatz bruchmechanischer Prüfmethoden.
    Ein Beispiel für die Spannungsrisskorrosion von PMMA zeigt Abb. 1b. Es ist ein Teesieb, das viele Male in einem Geschirrspüler gereinigt wurde. In seinem oberen Bereich (rechts im Bild) sind Risse gut erkennbar. Und auch ein Bruch ist deutlich sichtbar. Allerdings hat die starke Kerbwirkung der angebrachten Löcher in diesem Fall den Bruch begünstigt. Bei großen Konstruktionen, wie beim besagten Aquarium, sind meistens häufig die Dichtungen (oft aus Silikon) die Schwachstellen und nicht das Material selbst. Es handelt sich hier jedoch um keine Bewertung des Unfalls.<<

    Einleitungsfoto: www.acrylglas-plexiglas-schilder.de

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      Bei der Holzverarbeitung fallen jede Menge Abfälle an. Ein Großteil dieser Holzabfälle wird verbrannt. Nun werden die Möglichkeiten ausgelotet, aus Sägespänen und Hackschnitzeln ein Biokompositmaterial zu erzeugen. Denn die Holzstruktur der Abfälle ist völlig intakt, die kleinsten Bausteine, die für die Eigenschaften von Holz verantwortlich bleiben erhalten. Das Lignozellulose-Netzwerk kann mittels formgebender oder sogar additiver Herstellungsprozesse miteinander zu neuen Baustoffen verbunden werden. Das Endprodukt soll weiterhin zu 100 Prozent aus Holz bestehen, denn die verwendeten Bindemittel wie zum Beispiel Lignin werden ebenfalls aus Holzabfällen gewonnen.
      Quelle: ingenieur.de, Okt. 2023



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